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Integrität. Ich bin mir selbst treu!
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Integrität
Integrität. Ich bin mir selbst treu!

Judith Leitner
BSc Psychologie

Da sage ich an einem Abend zu meinem Mann, dass ich die Schwangerschaftspfunde loswerden möchte, um mich wohler zu fühlen. Und am nächsten Tag habe ich nach einem üppigen Mittagessen, bei dem ich mich überesse, so Lust auf Süßes, dass ich noch eine halbe Tafel Schokolade vernasche. Kennen Sie das?

Rein objektiv betrachtet, entspricht in diesem Fall das Reden nicht dem Handeln. Das eine ist der ausgesprochene Wunsch, sozusagen die Absichtserklärung, und das andere ist die Wirklichkeit. Das eine sage ich, das andere tue ich – und da ist leider keine Übereinstimmung erkennbar. Klar, der eine oder andere Abnehm-Spezialist könnte jetzt sagen: Man darf sich nicht alles verbieten, das ist okay, solche Tage muss es auch hin und wieder geben. Es geht mir aber auch gar nicht um das Thema «Abnehmen» – das können andere besser – sondern um das vorsichtige Herantasten an das große Thema der Integrität. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die wenigsten das Wort Integrität im Alltag verwenden. Oft weiß man gar nicht so genau, was damit eigentlich gemeint ist.

In diesem Artikel soll es um die persönliche Integrität gehen. Damit meint man die Übereinstimmung zwischen Werten, Reden und Handeln. Integrität ist das, was uns glaubwürdig macht. Persönliche Integrität wird definiert als die «fortwährend aufrechterhaltene Übereinstimmung des persönlichen Wertesystems und der persönlichen Ideale mit dem eigenen Reden und Handeln», kurz: die Treue zu sich selbst. Im Alltag nennen wir das häufig «authentisch sein». Das mag jetzt beim Wunsch abzunehmen und beim Essverhalten nicht sehr bedeutend (und nicht auf unser Wertesystem bezogen) sein, aber wenn wir dabei an weitere Beispiele denken, ist es immer das gleiche Prinzip:

  • «Ich schätze meine Arbeitskollegin Claudia» … aber wenn meine anderen Kollegen schlecht über sie reden, dann bin ich dabei und mache mit …
  • «Ich würde nie etwas aus dem Supermarkt stehlen» … aber sage bewusst nichts, wenn sich die Dame an der Kasse bei der Anzahl der Marmeladegläser zu meinen Gunsten verzählt …
  • «Freundlichkeit und Höflichkeit sind mir sehr wichtig» … aber wenn mich ein anderer Autofahrer an einer Kreuzung übersieht, gestikuliere ich aufgebracht …

Da ist immer dieses ABER ... Auf der einen Seite befinden sich mein Wunsch und mein Ideal und auf der anderen Seite steht mein Handeln, bei dem ich oft und im Moment gar nicht die Gelegenheit habe, es in Relation zu meinen Idealen zu sehen.

Ein aufwühlendes Experiment
Stanley Milgram hat 1961 ein Experiment durchgeführt, bei dem er untersuchen wollte, ob der blinde Gehorsam der Deutschen während des Nationalsozialismus sozialpsychologisch erklärt werden kann. In seinem Experiment sollten die Versuchspersonen einem «Schüler» (einem eingeweihten Schauspieler) Fragen stellen und diesen bei falschen Antworten mit Elektroschocks bestrafen. Die Intensität des Schlages sollte nach jedem Fehler erhöht werden, wobei natürlich nicht wirklich Elektroschocks abgegeben wurden, was die Versuchspersonen jedoch nicht wussten. Von den 40 Personen gingen 26 bis zur maximalen Spannung von 450 Volt, und nur 14 brachen das Experiment vorher ab, weil sie sich weigerten, dem «Schüler» weitere Elektroschocks zuzufügen. Die 14 Personen wollten dem Schüler – «nur» aufgrund des Auftrags des Versuchsleiters – keine Schmerzen mehr bereiten.

 

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