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Richtig belichtet
Foto: iStock.com/lovelyday12

Sonne
Richtig belichtet

Günther Maurer
Gesundheitsberater, Pastor und Seelsorger
Zürich, CH

Wer kennt sie nicht! Beim Durchblättern von Fotoalben stoßen wir unweigerlich auf über- oder unterbelichtete Bilder vergangener Zeiten. Vor dem Zeitalter der digitalen Fotografie, das erst 1981 eingeläutet wurde, konnte man nicht sofort nachsehen, ob das Ergebnis einer Aufnahme zufriedenstellend war. Weil Momentaufnahmen jedoch immer einzigartig sind, wurden sie trotz aller Mängel als Dokumente mit hohem Erinnerungswert eingeklebt. Heute können wir jede Aufnahme sofort kontrollieren und, falls diese nicht unseren Erwartungen entspricht, weitere Bildfolgen erstellen. Darüber hinaus stehen uns gegenwärtig Foto-Software und Bildbearbeitungsprogramme zur Verfügung, mit deren Hilfe Korrekturen und Anpassungen kein Problem sind. Zweifellos gilt: Ein richtig belichtetes Bild macht einen großen Unterschied.

Das Licht
Das Licht ist eine absolute Notwendigkeit und beeinflusst unzweifelhaft unser Leben sowie unsere ganzheitliche Gesundheit in entscheidendem Maß. Lichtstimmungen erleben wir positiv oder negativ. Lichtmangel kann zu Niedergeschlagenheit und sogar zu Krankheit führen. Dagegen hilft uns das Sonnenlicht, gesund zu bleiben. Bestimmte Vitamine brauchen zu ihrer Freisetzung die Sonne.

Sonnenstrahlen regen die Drüsen in der Nebenniere und im Hypothalamus (im Gehirn) an, wodurch Glückshormone freigesetzt werden und wir uns besser fühlen. Darüber hi­naus kann unser Körper durch die Sonne Vitamin D bilden, was für den Kalzium-Stoffwechsel wichtig ist und Osteoporose (Knochenschwund) vorbeugt. Neueste Studien bestätigen, dass Vitamin D auch auf das Immunsystem positiv wirkt.

Fakt ist: Im richtigen Licht fühlen wir uns spürbar wohler, weshalb bei Winterdepression oder Jetlag Lichttherapien zum Einsatz kommen. Moderne Lichtquellen werden dem natürlichen Lebensrhythmus angepasst: Beim Aufstehen neutral, bei der Arbeit eher kühl und zum Feierabend warme Farben. Licht gibt aber auch Orientierung, hilft beim Lesen und Schauen, und mitunter geht einem buchstäblich «das Licht auf».

Künstliche Lichtquellen
Ganz im Gegensatz zu historischen Zeiten bestimmen heutzutage vor allem künstliche Lichtquellen unseren Alltag. Maßvoll eingesetzt ist Licht hilfreich und förderlich für unser Wohlbefinden, während Lichtorgeln und Blitzlichtgewitter das Nervenkostüm reizen. Leuchtreklamen raufen um Aufmerksamkeit – je greller die Farbe, umso höher die garantierte Wirkung. In Diskotheken und Lasershows werden immer mehr Laser als Effektquelle eingesetzt. Dadurch sind Besucher Lichtquellen mit bisher unerreichter Leuchtdichte ausgesetzt. Kunstlicht verändert auch unsere Nachtlandschaft. Die meisten Menschen in Westeuropa sehen an ihrem Wohnort nie einen wirklich dunklen Sternenhimmel. Damit erübrigt sich die Frage des Kinderliedes: «Weißt du, wie viel Sternlein stehen am großen Himmelszelt?» …

Die Lichtverschmutzung und -überflutung hat auf Mensch und Natur viele negative Auswirkungen.

Wir können Johann Wolfgang von Goethe im umfassenden Sinn zustimmen, der seinerzeit folgende Worte formulierte: «Wo viel Licht ist, da gibt es auch viel Schatten».

Rund 20 % aller elektrischen Energie werden für die Beleuchtung eingesetzt. Licht ist aber nicht nur Licht, sondern steht für Lebensfreude, Kraft, Fröhlichkeit und vieles mehr. Moderne Lichtkonzepte versuchen, das natürliche Licht bestmöglich nachzuahmen, während wir aus eigener Erfahrung wissen: Ein Sonnenaufgang ist unbeschreiblich, ein strahlender Sommertag nicht nur hell, sondern auch Balsam für Körper, Seele und Geist. Mit Sonnenschein starten wir zuversichtlicher und mutiger in den Tag, als wenn die Welt im Grau versinkt.

Ein Wort zum Schluss:
Sie, lieber Leser, liebe Leserin, wünschen sich sicher auch ein richtig belichtetes Leben. Der Orient ist berühmt für seine Parabeln, und eine davon möchte ich hier wiedergeben:

Ein König des Orients wollte seinen Untertanen eine Freude bereiten und brachte ihnen, die keine Uhr kannten, von einer Reise eine Sonnenuhr mit. Sein Geschenk veränderte das Leben im Reich. Die Leute begannen die Tageszeiten zu unterscheiden und ihre Zeit einzuteilen. Sie wurden pünktlicher, ordentlicher, zuverlässiger und fleißiger und brachten es zu großem Reichtum und Wohlstand. Als der König starb, überlegten sich die Untertanen, wie sie die Verdienste des Verstorbenen würdigen könnten. Und weil die Sonnenuhr das Symbol für die Gnade des Königs und die Ursache des Erfolges der Bürger war, beschlossen sie, um die Sonnenuhr einen prachtvollen Tempel mit goldenem Kuppeldach zu bauen. Doch als der Tempel vollendet war und sich die Kuppel über die Sonnenuhr wölbte, erreichten die Sonnenstrahlen den Zeiger nicht mehr. Der Schatten, der den Bürgern die Zeit gezeigt hatte, war verschwunden, der gemeinsame Orientierungspunkt, die Sonnenuhr, verdeckt. Der eine Bürger wurde dadurch unpünktlich, der andere unzuverlässig, der dritte faul. Jeder ging seinen Weg. Das Königreich zerfiel.
(nach Abdu´l-Bahà)

Uns Menschen hilft eine klare Orientierung. Wer rückblickend in seinem Lebenstagebuch blättert, wird mit einwandfrei belichteten Bildern seine Freude haben. Damit wir jedoch einer Unter- wie auch einer Überbelichtung im ganzheitlichen Sinn widerstehen, hilft uns nicht die Sonnenuhr des Orients, sondern ein ungetrübtes Unterscheidungsvermögen. Der Arzt Lukas hat es seinerzeit so formuliert:

«Das Auge vermittelt dem Menschen das Licht. Ist das Auge klar, steht der ganze Mensch im Licht; ist es getrübt, steht der ganze Mensch im Dunkeln. Nun gib Acht, dass dein inneres Auge – dein Herz – nicht blind wird! Wenn der ganze Mensch im Licht steht und nichts mehr an ihm dunkel ist, dann ist er so hell, wie wenn das Licht der Lampe direkt auf ihn fällt.»
Lk 11, 34-36 Richtig belichtet!

Lebensweisheiten und Licht
Jahrhundertealtes Erfahrungswissen entfaltet sich in kurzen, markigen Redewendungen, die auch im 21. Jahrhundert noch unser Leben beleuchten. Lebensweisheiten haben kein Ablaufdatum, sondern passen in jede Zeit und in jeden Alltag. Vielleicht staunen Sie mit mir, wie viele Grundwahrheiten um unser ganzheitliches Menschsein im «Licht» zutage treten:

  • «Das Licht der Welt erblicken» – beschreibt den freudigen Moment der Geburt, wenn das Leben noch unverletzt, unberührt und zukunftsweisend gestaltet werden kann.
  • «Jemandem oder sich selbst im Licht stehen» – Dadurch schadet man sich selbst oder jemand anderem.
  • Etwas «bei Licht besehen» – genauer, aufmerksamer betrachten, erforschen.
  • «Ans Licht kommen» – Gutes sowie Schlechtes wird früher oder später offenkundig.
  • «Jemanden ins rechte Licht rücken» – dafür sorgen, dass die Vorzüge eines Menschen erkannt werden.
  • «In einem guten Licht erscheinen» – wer möchte nicht einen guten Eindruck machen!
  • «Das Licht am Ende des Tunnels» – gibt Mut und Ausdauer, schwierige Lebenslagen hoffnungsvoll durchzuhalten.
  • «Etwas in milderem Licht sehen» – bei dieser Betrachtungsweise zeigt sich Verständnis für eine Sachlage.
  • «Grünes Licht geben» – damit erlaubt man sich oder anderen durchzustarten.
  • «Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen» – ist Ermutigung und Ansporn, die eigenen Leistungen nicht aus falscher Bescheidenheit zu verbergen.
  • Und wer hat die aussagekräftigen Worte der Bibel nicht schon irgendwo gehört: «Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg» (Buch der Psalmen 119,105) oder: «Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.» (Johannes 8,12)

Gerade dieser letzte Gedanke vom Licht des Lebens setzte sich bei mir schon in jungen Jahren fest. Der Tod meiner Großeltern, die zeitnah hintereinander gestorben sind, ließ mich die Dunkelheit des Abschiednehmens schmerzlich erfahren. Ich wünschte mir eine helle Zukunft, ein richtungsweisendes Licht über das Leben hinaus. Seit damals ist eine lange Zeit vergangen, habe ich viel erlebt, wichtige Entscheidungen getroffen, meine Eltern zu Grabe getragen und mich dazu entschieden, mein Leben in allen entscheidenden Situationen nach dem Licht des Lebens auszurichten.

 

 

 

 

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