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An der Mutterbrust Vertrauen lernen
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Vertrauen
An der Mutterbrust Vertrauen lernen

Hand aufs Herz: Können Sie leicht vertrauen? Fällt Ihnen dies manchmal schwer? Gleichen Sie mehr der Heidi, oder sind Sie eher eine Beret?

Ruedi Brodbeck
Dr. med. Facharzt für Allgemeine Innere Medizin FMH, Psychosomatische und Psychosoziale Medizin SAPPM,
Diplom für Biblische Theologie und Pastoralarbeit,
Alchenflüh, CH

Vertrauen, Klebstoff des gesellschaftlichen Lebens

Michael Welch, ein US-amerikanischer Soziologe, hat Vertrauen als Fundament aller sozialen Beziehungen und damit als Klebstoff des gesellschaftlichen Lebens bezeichnet. Vertrauen muss sein, ohne Vertrauen gäbe es kein Zusammenarbeiten, keine Verhandlungen zwischen Staaten, keine Handelsgeschäfte, und die Beziehungen zwischen Partnern, Eltern und Kindern sowie zwischen Arzt und Patient würden sehr schwierig. Auch bei wirtschaftlichen Fragen ist Vertrauen wichtig, wird es doch als Schmiermittel des Erfolgs bezeichnet. Allerdings ist Vertrauen weder einfach noch immer gerechtfertigt. Vertrauen ist eine Haltung, die man weder auf Verlangen von einem anderen einfordern, noch in sich hervorrufen kann.

Beret H. fällt es schwer zu vertrauen

Am liebsten hätte sie immer alles unter Kontrolle. Da sie aber nicht allmächtig ist, kann ihr dies nicht gelingen. Weil ihr dies bewusst ist, sind Angst und Misstrauen ihre ständigen Begleiter, überall und immer wieder erlebt: in ihren Beziehungen am Arbeitsplatz, in der Familie, im Verein und auch in der Therapie. Kleine Meinungsverschiedenheiten, unterschiedliche Auffassungen oder Interessenslagen lösen bei ihr massiven Stress aus, und sie stellt rasch die ganze Beziehung in Frage. Der oder die andere wird zum Gegner, zum Feind, der ihre persönliche Sicherheit gefährdet, der es böse mit ihr meint, der sie persönlich angreift und zu verletzen droht. Obschon sie sich doch nach nichts so stark sehnt wie nach guten und verlässlichen Beziehungen, zeichnen verschiedene abrupte und schmerzhafte Beziehungsabbrüche ihren Lebensweg, und sie fühlt sich meist einsam.

Beret ist in einer Kirchgemeinde aktiv, pflegt auch hier viele Beziehungen und glaubt an einen liebenden Gott. Doch auch in dieser Beziehung erlebt sie immer wieder Krisen, wo «es ihr den Boden unter den Füßen wegzieht», wo sie das Gefühl hat, «in ein schwarzes Loch zu fallen», wo sie sich plötzlich von Gott bedroht fühlt und sich vor ihm fürchtet. Dann kann sie nicht mehr glauben, dass er wirklich hält, was er verspricht, dass er sie wirklich liebt und es gut mit ihr meint. Am schlimmsten ist es, wenn sich ihr schlechtes Gewissen regt. Hat sie etwas getan, wovon sie ausgeht, dass Gott das nicht gutheißen würde, oder wenn etwas im Leben nicht so läuft, wie sie es erwartet hat, dann möchte sie sich am liebsten vor Gott verstecken, vor ihm flüchten. Ihre erlebte existentielle Angst kann so groß sein, dass diese ihr alle Kraft raubt und sie in eine Depression fallen lässt.

Heidi B., meine Mutter,

erlebt Belastungssituationen ganz anders. Einerseits begegnet sie Menschen offen, mit einem Vertrauensvorschuss, und erlebt darum selten feindselige Gefühle. Wird sie doch einmal enttäuscht, erleidet sie einen Schicksalsschlag oder ein persönliches Versagen, ist sie traurig oder verletzt, flüchtet sie nicht von Gott weg, sondern zu ihm hin. In seiner Nähe findet sie Geborgenheit und Trost, tankt sie Hoffnung, neue Kraft und (Lebens-)Mut. Sie spricht davon, dass sie sich bei solchen Gelegenheiten bei ihrem himmlischen Vater auf den Schoß setzt, so wie sie dies als kleines Kind jeweils bei ihrem (leiblichen) Vater tun konnte, wenn er von der Arbeit nach Hause kam oder sie traurig war oder sich verletzt hatte.

 

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